Wie zukunftssicher ist der Mittelstand ?
Die hohe Inflationsrate und der daraus resultierende Kostendruck gehören für Hersteller in der Lebensmittelindustrie derzeit zu den größten Herausforderungen. Verlässliche Prognosen über Marktentwicklungen sind kaum mehr möglich. Rohwaren, Material und Betriebsmittel verteuern sich im deutlich zweistelligen Prozentbereich. Diese Preissteigerungen können die Hersteller nur zum Teil an den Handel weitergeben.
In unserer Studie* zur Lebensmittelindustrie, die wir gemeinsam mit der Hochschule Bremen durchgeführt haben, gab mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen in der Lebensmittelindustrie an, dass sie eine EBIT-Marge zwischen einem und fünf Prozent hat. Ihre Zukunftssicher-heit ist damit in Frage gestellt, womöglich kommt es zu einer Marktbereinigung. Um ihren Fortbestand zu sichern, müssen sie die zur Verfügung stehenden Daten ordentlich auswerten und rationale Entscheidungen treffen. Eine effiziente Logistikabwicklung mit agilem Innendienst ist zudem unabdingbar. Auch der Finanzvorstand rückt dabei immer mehr in den Fokus: Ihm muss es gelingen, mit einer weitreichenden Liquiditäts-planung eine branchenübliche Finanzsituation beizubehalten.
*Studie: Zeitenwende in der Lebensmittelindustrie – wie zukunftssicher ist der deutsche Mittelstand? Umfrage der Hochschule für angewandte Wissenschaften, Bremen 2021, Fakultät 1 Finanzen & Controlling Prof. Dr. Lars Büttner in Zusammenarbeit mit Wintergerst Societät für Unternehmerberatung GmbH & Co KG
Controlling – Datenaufbereitung für bessere Entscheidungsfindung
Mittelständische Unternehmen werten häufig die über ihre verschiedenen Systeme gesammelten Daten nicht zielführend aus. Dabei ist gerade die tiefgehende Datenaufbereitung kritisch für den Unterneh-menserfolg und die Steuerung der Kunden. So entsteht Transparenz, die bis dahin unsichtbare Probleme und Potenziale aufdeckt. Mit der Definition von Action Steps, Kennziffern und einer klaren Rollenzutei-lung lassen sich diese Potenziale heben. Um vollständige und aktuelle Daten zur Verfügung zu stellen, müssen IT-Systeme häufig angepasst oder modernisiert werden.
Profitable Umsätze durch den richtigen Sortimentsmix
Ein Erfolgsfaktor ist es, die Balance im Sortiment zu finden, damit dieses für Kunden attraktiv, aber gleichzeitig auch betriebswirtschaftlich sinn-voll ist. Unternehmen sollten von einem hochkomplexen und sehr kun-denindividuellen Sortiment absehen. Stattdessen bietet sich die gezielte SKU-Reduzierung (Stock Keeping Unit) an – basierend auf markt- und absatzbezogenen, logistischen und produktionsbezogenen Daten; so lassen sich unprofitable Artikel und ihre Umsätze streichen und damit die EBIT-Marge verbessern.
Optimierung des Order-to-Cash-Prozesses
Ineffiziente Auslieferungen und halbvolle Streckentransporte sowie ineffektive Abläufe in der Bearbeitung sollten in Zeiten von knappen Ressourcen und steigenden Speditionskosten eingestellt werden. Das Outsourcing der Lager- und Kunden-Logistik kann hier zu einer deutlich effizienteren Abwicklung der Logistikprozesse führen. Der gesamte Order-to-Cash-Prozess wird neu strukturiert und organisiert, wobei für einen reibungslosen Ablauf hier die unterschiedlichen IT-Systeme aufei-nander abgestimmt werden müssen. Die Einführung eines Logistik-Con-trolling-Systems erlaubt die effektive Erfolgskontrolle. Alle diese Kosten-senkungspotenziale wirken sich unmittelbar positiv auf den operativen Cashflow eines Unternehmens aus.
Herstellung einer branchenüblichen Finanzsituation
Durch eine vorausschauende Liquiditätsplanung lassen sich Finanzie-rungsengpässe frühzeitig erkennen und die notwendigen Maßnahmen in Gang setzen. Aufgrund der Geschäftsmodelle bei der Lebensmittel-produktion ist der Liquiditätsbedarf jedoch häufig saisonal bedingt.Daher muss die Finanzierungsstruktur an das Geschäftsmodell an-gepasst werden. Außerdem sind Inflationseffekte zu berücksichtigen. Steigt der Wert der halbfertigen Waren im Lager mit höheren Preisen, wird dadurch mehr Kapital im Unternehmen gebunden – dies erfordert einen erhöhten Liquiditätsbedarf, der wiederum berücksichtigt werden muss. Dem kann durch gezielte Verlängerungen der Zahlungsfristen und einem effektiveren Order-to-Cash-Prozess entgegenwirkt werden. Ein Unternehmen, das so seine Kosten senkt, kann eine überdurchschnitt-liche EBIT-Quote erzielen und nachhaltig die Eigenkapitalausstattung verbessern.
Gutes Geschäft – schlechte Wechselkursentwicklung
Mittelständische Lebensmittelunternehmen aus Deutschland verkaufen ihre Ware meist im Inland oder in der Euro-Zone; die Rohwaren kom-men allerdings häufig aus anderen Währungsräumen. Durch gestresste internationale Beziehungen entsteht große Volatilität am Devisenmarkt, was die Planung der Finanzmittel für den Einkauf der Rohwaren zur Herausforderung werden lässt. Die Unternehmen müssen im Einkauf auf historischen Daten basierend möglichst präzise planen und den notwendigen Betrag an Fremdwährung unbedingt am Devisenmarkt absichern.
Zusammenfassung
Um eine realistische EBIT- und Liquiditätsplanung zu erstellen, ist es wichtig, dass die Datenbasis stimmt, ein ganzheitliches operatives Controlling implementiert ist, die Absatz- und Distributionsplanung funk-tioniert und der interne Order-to-Cash-Prozess effizient gestaltet ist. Da Unternehmen diese Veränderungen selten aus eigener Kraft stemmen können, ist es empfehlenswert, einen erfahrenen und unabhängigen Berater hinzuzuziehen. Die Zusammenarbeit in diesen Bereichen hat auch eine positive Signalwirkung nach innen und auf alle Mitarbeiter, denn sie trägt zur Zukunftssicherheit und zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bei.